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Eine im Kongo geborene Designerin aus París gestaltet ein Barockpalais zur vielleicht groBartigsten Herberge in Palmas Altstadt um?
Das interessiert uns. Ein Treffen mit ALINE MATSIKA im Palacio Can Marqués 

COME ON, ALINE

Eine enge Gasse im Herzen der Altstadt von Palma de Mallorca. Schmal und unpratentios schlangelt sich die Carrer dels Apuntadors durch das La Lonja Quartier. Der mondäne Yachthafen glitzert gleich um die Ecke, bis zur go­ tischen Kathedrale sind es nur ein paar Minuten FuBweg. Wer von hier aus den Himmel sehen will, muss seinen Kopf tief in den Nacken legen, so nah stehen sich die hohen Altstadthauser gegenüber. Auf ihren hand­ tuchbreiten Balkonen konnten die Bewohner an besonders engen Stellen locker von einer StraBenseite zur anderen den neuesten Klatsch austauschen, ohne dabei die Stimme erheben zu müssen.

Ab und zu erhaschen die Besucher den Blick in eine t Tapas-Bar. Meistens bleibt verborgen, was sich hinter den verschlossenen Türen verbirgt. Unsichtbar wie die Einflüs­ terinnen im Theater, die der «Gasse der Souffleusen» ihren I Namengeben. Diese Abschirmungnach auBen ist typisch ist für die mallorquinische Architektur, die ihre Schatze gerne hinter hohen Mauern versteckt.

Die Kreative aus París ist eine leidenschaftliche Jagerin und Sammlerin von erlesenen Arte­ fakten und exotischen Unikaten

Wer gerade in die falsche Richtung schaut oder in sein Handy vertieft ist, konnte daher gut und gerne am Palacio Can Marqués vorbeilaufen. Umso groBer dann die Überra­ schung: Als offne sich ein Vorhang, gibt ein machtiger Tor­ bogen unvermittelt den Blick in einen gro8zügigen, zweisto­ ckigedn Patio frei. Fein ziselierte Alabastersaulen stützen die elf Meter hohe Decke, funkelnde Kronleuchter und meter­ lange Sofas laden zum stilvollen Chillen ein. Die Lobby des 1760 gebauten Palacio ist ein echter Hingucker und ein viel­ versprechendes Entree in das erste offentliche (Euvre einer franzosischen Designerin.

Die Kreative aus Paris ist eine leidenschaft­ liche Jagerin und Sammlerin von ge­ schichtstrachtigen Orten, erlesenen Arte­ fakten und exotischen Unikaten. Eine stil­ sichere Gestalterin, die nonchalant au dem Vollen schopft, wenn sie auf den Hamptons, in Ham­ burg oder an der Cote d’Azur die Wohnungen und Hauser der Reichen und Schonen einrichtet. An der Alster hat Aline Matsika vor einigen Jahren nicht nur einer wei8en Villa aus den 20er-Jahren zu zeitgenossischem Chic verholfen, son­ dern die futuristische Yacht des Eigentümers gleich mitge­ stylt. Seither ist die begeisterte Seglerin auch auf den Welt­ meeren unterwegs.

Ihr jüngstes, bisher umfangreichstes Projekt ist der Um­ bau des mallorquinischen Barockpalasts in ein luxurioses Boutique-Hotel. Mit dem im Herbst 2018 eroffneten Palacio Can Marqués tritt Aline Matsika zum ersten Mal den Beweis an, dass sie auch als Hoteldesignerin reüssieren kann.

Wenn es das wunderbare Wort Weltbürgerin nicht langst gabe, für Aline Matsika müsste man es glatt erfinden. Sie ist eine Kosmopolitin par excellence. Geboren im Kon­ go, aufgewachsen in Paris, Hauptwohnsitz in New York. Seit Jahrzehnten pendelt sie zwischen den Kontinenten hin und her. London, Rom, Venedig, Mosambik, Madagaskar und Mallorca markieren nur einige Destinationen ihrer glo­ balen Agenda.

Eine groBe Frau mit langen, offenen Haaren und einem gewinnenden Lacheln federt eine der beiden Freitreppen des Palacio herunter. Aline Matsikas Stimme ist voll und warm, ihr Englisch mit einem Hauch Franzosisch unterlegt. Was ebenso charmant klingt wie die herzliche BegrüBung: ,,Wel­ come to Palacio Can Marqués. Lust auf eine Palastführung?» Bien sfu! In der nachsten Stunde werden die Wadenmuskeln der Besucherin nachhaltig aus ihrem Winterschlaf gekitzelt. Die 13 Suiten verteilen sich weitlaufig auf 2800 Quadratme­ ter Grundflache und gefühlt fast ebenso viele Stufen.

LeichtfüBig sprintet die Designerin voran. Jede der 33 bis 380 Quadratmeter gro8en Suiten ist mit hochwertigen Natur­ materialien, exotischen Fundstücken und Antiquitaten indi­ viduell eingerichtet. Um ihnen eine einheitliche Handschrift mitzugeben, einen «Flow», wie sie es nennt, hat Aline die Teppiche selbst entworfen und in verschiedenen Farben in Nepal fertigen lassen. Überall das gleiche flie8enden Muster, aber in einem anderen Farbton.

Die vielgestaltigen Kronleuchter verleihen dem Haus das Flair eines funkelnden Schatzhauses. ,,Ich habe eine Schwache für Chandeliers und jeden einzelnen in Murano handblasen lassen», gesteht die Innenarchitektin. Alte Kamine aus San­ tanyi-Sandstein, Bibliotheken und Bilder aus Atines Kunst­ sammlung vermitteln ,,die Intimitat eines Privathauses». Für die Boutique des Palacio Can Marqués hat die modebegeisterte Franzosin eine exklusive Kollektion zusammengestellt.

Die Kreative aus Paris ist eine leidenschaftliche Jägerin und Sammlerin von erlesenen Artefakten und exotischen Unitaken

Das Highlight ist das Turmzimmer der 380 Quadratme­ ter gro8en, mehrstockigen Prasidentensuite ,,The Riad» mit umlaufender Terrasse und überwaltigendem Rundblick. Das dort installierte Fernglas fordert zum Heranzoomen von Alt­ stadt und Meer heraus. Und es verweist auf die Hochseeambi­ tionen von Atines Auftraggeber, dem deutschen Eigentürner Kim Swchindelhauer. Der Hamburger Untemehmer erwarb das Barockpalais 1999 von einer mallorquinischen Adelsfa­ milie und bietet seinen Hotelgasten nicht nur ein fürstliches Dach über dem Kopf an, sondem auch Segeltums auf seiner mit Design- und Regattapreisen geadelten Superyacht.

Wo hat die sportliche Designerin ihr Handwerk gelernt? Auch in dieser Hinsicht passt Atines Lebensweg in keine Schub­ lade. Innenarchitektur? Macht sie zwar schon lange, hat sie aber nie studiert.

Marketing? Hat sie zwar mit Bachelor abgeschlossen, aber nie als Beruf ausgeübt. Modedesign? Oui, Volltreffer – fast. Denn das war einst ihr Traumberuf, doch den hat ihr Politi­ ker-Papa nicht erlaubt.

Atine Matsika wird Mitte der 60er-Jahre in der Republik Kongo geboren. Ihr Vater, der Gewerkschaftler und Aktivist Aimé Matsika, hat bereits vor ihrer Geburt von Paris aus für die Unabhangigkeit seiner zentralafrikanischen Heimat ge­ kampft. Als Atine zur Welt kommt, ist die franzosische Ko­ lonie endlich unabhangig. Und Aimé Matsika kampft jetzt als Wirtschaftsminister im Kabinett der jungen Regierung für Demokratie. Nach dem Wirtschaftsstudium in Paris kann die Tochter endlich ihre Leidenschaft für Fashion ausleben. Als Model führt Atine franzosische Haute Couture über die Laufstege von Mailand bis New York. Unterwegs streift sie durch Museen und Galerien, durchstéibert Flohmarkte und Antiquitatenshops. ,,Ich bin eine alte Seele und kéinnte gut in einem Museum leben.»

Nach sieben Jahren hat sie genug von der Welt gesehen und macht sich mit einer neuen Geschaftsidee selbststandig. Inspiriert von ihren Reisen durch Afrika, eréiffnet sie 1996 im Pariser Künstlerviertel Marais einen der ersten ethnischen Concept Stores.

«Ich wollte Afrika und Europa zusammenbringen, et­ was, was für mich perséinlich schon lange selbstverstandlich war», beschreibt Aline den Impuls, den Franzosen die Krea­ tivitat ihres Heimatkontinents naherzubringen. Die Designe­ rin bnezieht franzosische Stilmobel mit afrikanischen Stoffen, farbenprachtigen Kenté-Motiven oder geometrischem ,,Ka­ sai-Samt» aus Palmfasern. Ihre Louis-XV-Sofas mit den na­ turgefarbten Bogalan-Bezügen aus Mali machen in den Pari­ ser Architektur- und Lifestyle-Magazinen Furore.

Sie bezieht französische Stilmöbel mit afrikanischen Stoffen, Kenté-Motiven oder geometrischem «Kasai-Samt» aus Palmfasern

Nachdem sie mit einer zweiten Boutique den franzosischen Markt erobert hat, sucht sich die inzwischen alleinerziehende Mutter zwei­ er Sohne eine neue Herausforderung auf ei­ nem neuen Kontinent. Zur Jahrtausendwende nimmt sie den amerikanischen Markt ins Visier und zieht nach New York. Im November 2000 eroffnet sie in Tribeca ihr «Mosaic LLC». Das Industriequartier am Hafen ist gerade dabei, sein Schmuddelimage abzustreifen. Die «New York Times» lobt den kreativen Input der Franzosin. Es folgen Ar­ tikel in «Architectural Digest» und «House&Garden». «Tol­ ler Einstieg, aber schlechtes Timing», bilanziert Aline Matsi­ ka bedauernd im Rückblick. Denn ein Jahr spater kollabiert wenige Blocks von ihrer Boutique das World Trade Center. Es dauert Jahre, bis sich Downtown Manhattan erholt. Doch Aline lasst sich nicht entmutigen. Sie bleibt in New York, an­ ders als viele Europaer, die jetzt die schwer getroffene Metro­ pole verlassen. Und konzentriert sich auf ihr Talent als Interi­ or Designerin. Ihre Vorbilder sind zwei Franzosen, Christian Liaigre und Jacques García. «Zwei unterschiedliche Stile, aber für mich die perfekte Erganzung.» Puristische Eleganz, sinn­ liche Opulenz, Antiquitaten und ein exotischer Twist.

Im Palacio San Marqués durfte die Franzosin nun ihre Vorliebe für sinnliche Stoffe ausleben. Neben den Textilien hat sie Betten, Schranke und Regale selbst entworfen und in Italien ma8anfertigen lassen. ,,Die Chance, ein Anwesen dieser Gro8enordnung freí zu gestalten, war gro8artig», ge­ steht Aline und fügt hinzu, ,,zugleich war es eine enorme Herausforderung, eine Balance zwischen den Vorgaben der Denkmalschützer und den Anforderungen eines modernen Hotels zu finden.»

Und wohin zieht es die kosmopolitische Autodidaktin, wenn sie privat Urlaub macht? Nach Rio de Janeiro, Ha­ vanna, Buenos Aires und in die kolumbianische Hafenstadt Cartagena. Auf Inseln wie Madagaskar, Capri oder Sylt. Hauptsache, Meer: ,,Dann bin voll in meinem Element.» Kein Wunder, dass ihr derzeitiges Projekt maritim gepragt ist: ein Apartment in der Karibik im windschnittigen De­ sign eines Bootes. Danach wird sie die ehemalige Villa der persischen Ex-Kaiserin Soraya bei Cannes neu gestalten. Und hat die Innenarchitektin schon ein zweites Hotel in der Pipeline? Noch nicht, aber das konne sich rasch andern, lautet die sibyllinische Antwort. Versprochen: Wir halten Sie auf dem Laufenden.